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Aufrecht gehn, den Himmel sehn

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8. Dezember

Eine Kiste voll Weihnachten

 

     Es ist ein Montag Mitte Dezember. Tim geht mies gelaunt zur Schule. Er hat schlecht geschlafen, weil er sich am Vorabend mit seiner Mutter gestritten hat. Wofür waren Wunschzettel gut, wenn man nicht draufschreiben durfte, was man wollte? Die Erwachsenen hatten oft seltsame Ansichten.

„Kannst du nicht etwas bescheidener sein?“, hatte Mama gefragt. „Eine X-Box! Du hast eine Playstation und die steht oft genug ungenutzt in deinem Zimmer herum. Ich werde ganz sicher nicht eine Spielkonsole durch eine andere ersetzen, solange das Ding einwandfrei funktioniert! Und nun Ende der Diskussion!“

„Alle in meiner Klasse haben eine X-Box. Nur ich kann wieder nicht mitreden. Willst du, dass ich zum Außenseiter werde?“ Am liebsten hätte Tim die Playstation zu Boden geworfen und darauf herumgetrampelt, bis sie in tausend Teile zersprungen war. Schließlich hatte Mama laut und deutlich gesagt: „… Solange das Ding funktioniert.“ Musste sie da nicht ihr Versprechen einlösen, sobald das Gerät defekt war? Aber Tim hegte leise Zweifel, dass der Plan aufging. Sie hatte sicher nicht gemeint, dass er dafür sorgen sollte, dass die Konsole entzwei ging. Grummelnd schlich er den Bürgersteig entlang. Und dann auch noch Religion in der ersten Stunde. Das munterte ihn nicht gerade auf. Herr Frisch war zwar ganz nett, aber irgendwie steckte immer ein erhobener Zeigefinger hinter seinen Geschichten. Genau wie zuhause.

 

     Egal. Was konnte er schon tun, außer sich still weiter zu ärgern, dass Mama seine Wünsche ignorierte? Im Klassenraum sah er sich erstaunt um. Herr Frisch war hinter dem Lehrerpult kaum zu sehen. Vor ihm türmten sich Berge von Schuhkartons auf. Was sollte das denn wieder? Die Kinder stießen einander die Ellbogen in die Rippen und tuschelten. Gab es einen Vortrag über Altpapier? Doch Herr Frisch wartete stumm, bis alle Platz genommen hatten und begrüßte die Schüler mit den Worten:

     „Ich habe kein Schuhgeschäft überfallen, falls jemand das denkt. Die Kartons sind leer und ich habe sie für ein Projekt besorgt, das ich mit euch starten will.“ Die Schüler blickten verständnislos drein.

     „Jeder von euch wählt einen Karton aus und nimmt ihn mit nach Hause. In einer Woche möchte ich ihn zurückhaben. Und ich bitte euch, einige Dinge hineinzupacken, die ihr nicht mehr benötigt.“

     „Etwa die letzte Mathearbeit?“, rief Jason vorlaut. Alle lachten, weil sie wussten, dass er sie versemmelt hatte.

     „Nein, ein paar Buntstifte, Spielzeug, das euch nicht mehr interessiert und was euch sonst noch so einfällt. Ein paar nette Kleinigkeiten zu Weihnachten eben. Allerdings keine Schokolade oder Plätzchen. Das ist nicht erlaubt.“

     „Und was tun wir damit? Wichteln vielleicht?“ Die Frage kam von Corina, der Klassensprecherin. Tim schüttelte den Kopf. Das fehlte ihm noch, dass er die alten Buntstifte seines Nachbarn zu Weihnachten bekam. Das toppte noch die Nummer mit Mama und dem Wunschzettel.

     „Wir werden die Kartons mit einer Hilfslieferung ins Ausland schicken. Dort gehen sie an ein Heim, in dem Kinder eures Alters leben. Kinder, die ohne Eltern aufwachsen und niemanden haben, der ihnen etwas zu Weihnachten schenkt.“

 

     Die Klasse war zwiegespalten. Einige fanden Herrn Frischs Idee gut, andere maulten, dass sie dazu gar keine Lust hatten. Am Ende musste trotzdem jeder einen Karton mit nach Hause nehmen. Den schleppten sie in den fünf Folgestunden von einem Raum zum anderen. Als es zum Schulschluss klingelte, waren manche Kartons nicht mehr so schön, wie am Morgen.

Tim hatte sich die Kiste unter den Arm geklemmt. Dabei quetschte er sie ein wenig zusammen, sodass der Deckel schon ziemlich zerbeult war. Lustlos stapfte er durch den Schnee, der am Morgen gefallen war und sich bereits jetzt in eine schmutziggraue Patsche verwandelt hatte. Dinge, die er nicht mehr brauchte.

 

Pfff. Typisch Herr Frisch. Die Playstation konnte er ja schlecht einpacken. Die hatten sicher keinen Fernseher dort, falls sie überhaupt Strom hatten. Die Aufgabe würde er an Mama weiterreichen. Genug, dass er die Kiste hier hin-und herschleppte. Füllen konnte sie das Ding.

Aber Tim hatte nicht mit Mamas Dickkopf gerechnet. Auch sie war von dem Streit am Morgen noch sauer und schob den Karton Richtung Tim.

     „Das machst du mal schön selber, mein Junge!“

     „Ich brauch aber alles noch, was in meinem Zimmer ist. Hättest du nicht letztens den Schrott aussortiert, wär die Kiste ruckzuck voll.“

     „Ich spendiere ein paar neue Buntstifte und einen Block. Aber du nimmst mindestens ein Teil von deinen eigenen Sachen. Das ist schließlich der Sinn des Ganzen.“ Sie klang unerbittlich.

     „Einen Sinn hat das? Na, den seh ich leider nicht“, maulte der Junge.

     „Jetzt sei aber vorsichtig, sonst zahlst du die Stifte von deinem Taschengeld.“ Er antwortete nicht mehr. Wenn Mama in dieser Laune war, ließ sie nicht mit sich reden.

 

     Tim verzog sich in sein Zimmer und blickte sich um. Das ganze Regal war voller Spielzeugautos, mit denen er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt hatte. Er holte sie herunter und hockte sich auf den Teppich. Den alten Karmann Ghia abgeben? Das kam überhaupt nicht in Frage. Auch der Mercedes Silberpfeil kam auf den Haufen, der schnell anwuchs, weil Tim diese Matchboxautos alle noch brauchte. Er stellte sie feinsäuberlich wieder ins Regal. Dann eben die Schublade mit den Gesellschaftsspielen. Mensch-ärgere-dich-nicht spielte er immer mit Oma, das wurde also noch gebraucht. Ebenso das alte Monopolyspiel – Opas Favorit. Die Suche in dem Stapel endete ebenso, wie die vorherige. Was auch immer Tim an diesem Nachmittag und im Laufe der Woche in die Hand nahm, landete an seinem angestammten Platz. Er konnte und wollte sich von nichts trennen. Die Tage vergingen und der Karton blieb leer.

 

     Morgen musste er die Kiste abgeben, aber Tim war noch immer zu keiner Entscheidung gekommen. Auf dem Küchentisch lagen Malbuch und Buntstifte bereit, die Mama besorgt hatte und schienen ihn anklagend anzusehen, wann immer er daran vorbeikam. Missmutig schlich er in sein Zimmer. Einer spontanen Idee folgend würde er den Zufall entscheiden lassen. Tim stellte sich in die Mitte des Raumes, schloss die Lider ganz fest – jetzt bloß nicht blinzeln - streckte seinen Zeigefinger aus und drehte sich wie ein wilder Brummkreisel um sich selbst. Dann blieb er wie angewurzelt stehen und öffnete die Augen, um zu sehen, worauf sein ausgestreckter Finger wies. Kaum, dass er sie geöffnet hatte, schossen ihm Tränen in die Augen. Der Fingerzeig hatte Peter ausgewählt, seinen alten Teddy, der auf seinem Bett saß und darauf zu warten schien, was nun geschah. Ausgerechnet Peter? Das durfte einfach nicht wahr sein. Tim schluckte schwer an seinem aufkeimenden Entsetzen. Peter gab es, seit er denken konnte. Und ihn sollte er in die enge Kiste sperren und jemandem überlassen, den er nicht einmal kannte? Sein Gewissen sagte ihm, dass es kein Zurück gab. Er nahm den Bären und drückte ihn ganz fest, roch an ihm, als habe dieser die Erlebnisse seines bisherigen Lebens in sich aufgesaugt, strich mit dem verhängnisvollen Zeigefinger vorsichtig über das abgeliebte Fell und sagte leise:

     „Entschuldige, Peter, aber was soll ich machen. Ich hoffe, es geht dir dort gut, wo du hinkommst. Ich hab dich lieb.“ Eine Träne versickerte in dem hellbraunen Fell. Der Junge schluckte und ging in die Küche.

     „Ich muss Peter abgeben. Aber einpacken musst du ihn!“ Dann rannte er aus dem Raum, bevor die Mutter ihn fragen konnte, was er sich dabei gedacht hatte. Am nächsten Tag ging Tim mit einer in buntes Weihnachtspapier gewickelten Kiste in die Schule. So langsam war er nicht einmal vor einer Woche gewesen als er sich mit Mama wegen des Wunschzettels gestritten hatte. Alle hatten ihre gefüllten Kisten auf Herrn Frischs Pult gestellt und wieder verschwand der Lehrer hinter diesem Berg, der jetzt freundlich anzuschauen war. Doch fast alle Schüler waren still. Sie saßen nachdenklich auf ihren Plätzen, während der Lehrer ihnen den Bestimmungsort der Päckchen beschrieb. Ob sie sich alle schweren Herzens von etwas trennten, das ihnen lieb und teuer war?

 

     Es war Heiligabend. Tim saß in seinem Zimmer und wartete darauf, dass die Eltern ihn riefen. Als er das Wohnzimmer betrat, saß er glänzende Kugeln und helles Kerzenlicht, das sich funkelnd in ihnen spiegelte. Der Baum war festlich wie immer, aber Peter hatte keine Freude daran. Kurz zuvor war ihm eingefallen, dass er sonst Peter mit ins Wohnzimmer genommen hatte, wenn das Fest begann. Heute fühlte er sich schrecklich einsam. Die Päckchen unter dem Baum interessierten ihn nicht die Bohne. Freudlos sang er die Lieder mit vom Fest der Liebe. Die Eltern blickten sich vielsagend an. Der Junge hatte seine Lektion gelernt. Die Mutter reichte ihm ein eingewickeltes Päckchen.

 

     „Frohe Weihnachten, Tim. Mach das Päckchen doch mal auf.“

Wie in Zeitlupe zog der Junge den Klebefilm vom Papier. Was konnte da schon drin sein, das gegen seine Traurigkeit half? Peter war vermutlich längst in Rumänien. Hoffentlich freute sich der Empfänger, ihn aus der Kiste zu holen. Aber vielleicht flog er auch schnell in eine Ecke, weil ein Kuscheltier nicht interessant war? Wer wusste das schon?

Unter dem Papier kam ein Karton zum Vorschein. Darauf stand in dicken Buchstaben BESTE FREUNDE VERSCHENKT MAN NICHT! Ja, das wusste Tim inzwischen auch und er nahm den Vorwurf kommentarlos hin. Dann hob er den Deckel ab und…

… in der Kiste lag Peter, so wie er ihn kannte. Sauber allerdings und frisch gebürstet, aber Tim erkannte ihn daran, dass ihm eine Augenbraue fehlte.

     „Peter!“, rief er und sank mit dem Teddy in die Knie, saß am Boden und lachte und weinte zugleich. „Peter, wie kommst du denn hierher? Ich dachte, du bist in Rumänien.“ Er drückte den Bären glücklich an sich.             „Gut“, dachte die Mutter, das sie den Bären nicht in den Schuhkarton gepackt hatte.

 

     An diesem Abend packte Tim kein Geschenk mehr aus. Dabei hätte er in einem sogar die gewünschte Spielekonsole gefunden. Der Mutter war die alte Playstation neulich beim Putzen vom Regal gefallen und kaputt gegangen, aber das würde er erst morgen bemerken, wenn er mit dem Teddy auf den Knien die restlichen Gaben auswickelte. Heute interessierte Tim nur seine eigene Kiste voll Weihnachten. Er fragte auch nicht, wen er da vor einer Woche im Karton mit zur Schule genommen hatte.

 

     In Rumänien saß  Anisoara am Tisch im Kinderheim. Sie hatte eine bunte Kiste vor sich stehen. Was da wohl drin war? Sie öffnete ehrfürchtig das Papier. Zum Vorschein kamen ein Ausmalbuch mit Buntstiften und ein dicker, wuscheliger Teddybär mit kleinen lustigen Knopfaugen. Der erste, den sie je in ihrem Leben besessen hatte. „Petre“, sagte sie und drückte das weiche Stofftier an sich. „Ab heute heißt du Petre.“

In Deutschland atmete die Mutter erleichtert auf, dass sie den Bären gewaschen und hergerichtet hatte, bevor sie für das Kind in der Ferne einen neuen Teddy kaufte. Und sie war ein bisschen stolz gewesen, dass Tim sich selbst überwunden und den geliebten Spielgefährten abgegeben hatte. Sie fand, dass er ihn zurückbekam, war nur verdient.

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