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Aufrecht gehn, den Himmel sehn

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6. Dezember

Der Nikolaus hat’s nicht leicht

 

Es ist der Nachmittag vorm sechsten Dezember. An diesem Tag besucht der Nikolaus traditionell die Kinder in der Kita an der Bahnhofsstraße. Auch heute sind die Kinder, wie in  jedem Jahr, schon ziemlich aufgeregt. Frau Schneider hat die Kinder schon seit Anfang der Woche auf den Besuch des heiligen Mannes vorbereitet, hat Geschichten erzählt, wie der Nikolaus zu seinem Ruf als Freund der Kinder gekommen ist und was geschieht, wenn er in der Kita vorbeischaut. Natürlich haben die Kinder auch Lieder und Gedichte auswendig gelernt. Das ist schließlich selbstverständlich.

Als dann aber die Tür aufgeht und ein großer Mann mit einem ellenlangen Bart hereinkommt, der ihm auf dem dicken Bauch baumelt, sind die Kinder zunächst ganz ängstlich und zurückhaltend. Auch seine tiefe Stimme, mit der er sie brummend begrüßt, trägt dazu bei.

„Wart ihr auch das ganze Jahr über artig?“, fragt er und die Kinder nicken.

„Zuerst will ich euch einmal von meiner langen Reise erzählen und was ich dabei so alles erlebt habe.“, hebt der Nikolaus zu einer längeren Rede an, während er seinen Jutesack neben sich auf dem Boden abstellt und auf dem Stuhl Platz nimmt, den Frau Schneider für ihn aufgestellt hat. Er macht es sich so richtig gemütlich dort, rutscht ein wenig auf dem Sitz hin-und her, bis er eine bequeme Position gefunden hat. Und dann beginnt er, zu erzählen.

Schon nach ein paar Minuten gähnen die ersten Kinder, vergessen ihre Scheu vor dem Heiligen Mann mit dem großen spitzen Hut auf dem Kopf, und kichern immer mal wieder in seinen Vortrag hinein. Frau Schneider schaut strafend herüber, aber daran stört sich keines der Kinder. Als nun auch noch Matti vom Stuhl fällt, weil er so herumgehampelt hat, und Frau Schneider den heulenden kleinen Kerl nach draußen begleiten muss – schließlich soll ja niemand die Rede des Mannes stören – beginnen die Zwerge damit, Blödsinn zu machen. Der Nikolaus aber lässt sich in seinen Ausführungen nicht unterbrechen. Schließlich hat er die Geschichten seines guten und hilfreichen Lebens nicht umsonst auswendig gelernt, wie die Kinder die Lieder und Gedichte für ihn. So merkt er nicht, dass Paul, einer der forschen Jungs der Kita-Gruppe von Frau Schneider, sich heimlich an ihn heranschleicht und seine Schnürsenkel nacheinander aufbindet, um sie sogleich wieder miteinander zu verknoten.

Das ruft seinen Kumpel Pitt auf den Plan. Der kriecht von der Seite auf den Nikolaus zu, befindet sich quasi im toten Winkel, und greift sich den Gürtel, den der Dicke braucht, um das Gewand ordentlich zu verschnüren. Pitt verschnürt das Cingulum ordentlich, allerdings mit der Stuhllehne zu beiden Seiten des Nikolaus. Er geht dabei ungewohnt vorsichtig zu Werke, anders als Pitt sonst agiert, wenn er jemandem einen Streich spielt.

Zuletzt nähert sich Julian dem Jutesack des Bischofs, in seiner Hand eine dicke Bastelschere, die er in seinem Ärmel versteckt gehalten hat. Er kniet hinter dem Heiligen und schneidet ein großes Loch in den Sack, bevor er sich wieder verkrümelt. In der ersten Reihe beginnen ein paar Kinder zu kichern. Sie haben natürlich sehen können, was die drei anstellen, doch verraten werden sie sie nicht.

Als Frau Schneider mit Matti zurückkommt, der noch immer geräuschvoll die Nase hochzieht,  sitzen die drei Übeltäter längst wieder auf ihrem Platz. Die Sache verspricht schließlich, doch noch ganz spannend zu werden und da wollen sie natürlich in der ersten Reihe sitzen.

Auch die anderen Kinder sind jetzt gespannt, was geschieht. Frau Schneider reicht dem Nikolaus den Zipfel seines Jutesacks, damit er ihn aufbinden und die Geschenke an die Kinder verteilen kann. Dann schlägt sie sein goldenes Buch auf und hält es ihm vor die Nase, damit er wie in jedem Jahr die Kinder einzeln aufrufen kann.

Der Nikolaus greift nach dem Sack und zieht ihn zu sich heran. Unten purzeln unterdessen die Päckchen heraus, die Frau Schneider am Morgen so liebevoll eingewickelt hat. Das ist das Signal für die Kinder. Keines will mehr warten, bis es aufgerufen wird. Der Nikolaus hat ihre Geduld lang genug auf die Probe gestellt. So springen sie von ihren Stühlen auf und stürzen sich auf die Geschenke. Selbst die Zurückhaltenden bleiben nicht auf ihren Plätzen und ein Gerangel beginnt, das seinesgleichen sucht.

Dem Nikolaus wird angst und bange. Warum nur hat er zugesagt, in diesem Jahr für seinen kranken Freund Karl einzuspringen und die Kita zu besuchen? Inmitten all der Kinder, die sich schubsen und drängeln, um nur ja ein Päckchen abzubekommen, hat Frau Schneider das goldene Buch längst fallenlassen und müht sich redlich, die Kinderflut einzudämmen, doch das ist vergebens. So sieht der Nikolaus, den soeben ein schmerzhafter Fußtritt am Schienbein getroffen hat, sein Heil in der Flucht und springt auf. Aber was ist das? Es scheint ihm, als würde der Stuhl an seinem Hintern kleben bleiben. Er dreht sich um sich selbst, und versucht, ihn abzuschütteln. Das allerdings vergeblich, denn als er fortlaufen möchte, merkt er, dass ihm die Füße den Dienst versagen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Der große dicke Mann fällt um wie ein Baum und landet auf dem Bauch. Die Mitra rutscht ihm vom Kopf und die Kinder trampeln auf ihm herum – ebenfalls vor Schreck, weil der Mann mitten zwischen sie gefallen ist. Zum Glück hat er keines von ihnen getroffen.

Frau Schneider wird abwechselnd rot und blass. Sie weiß ja, dass ihre Rasselbande nicht so ohne ist, aber was sie sich mit dem Nikolaus erlaubt haben, toppt wirklich alle Streiche dieses Jahres. Sie hilft dem Nikolaus aus der brenzligen Situation, hebt die Mitra auf, scheucht die Kleinen auf ihre Plätze und bindet den Mann vom Stuhl los, der auf seinem Rücken klebt. Um seine Schnürsenkel kümmert er sich selbst.

Die Kinder, die jetzt auf ihren Plätzen sitzen und spüren, dass hier irgendwas ziemlich schief gelaufen ist, retten sich in ein Nikolauslied: „Nikolaus ist ein guter Mann!“, singen sie. Der so Genannte schüttelt den Kopf, greift nach seinem Bischofsstab und hört sich das Lied nicht einmal bis zum Ende an. Er hat genug von dieser Kinderhorde. Laut fällt die Eingangstür ins Schloss und entlässt ihn in eine eiskalte Winternacht.

 

Draußen holt er tief Luft und fängt laut zu lachen an. Er lacht, bis er keine Luft mehr bekommt und sich atemlos an die Wand lehnen muss. In seiner Erinnerung an ein vergangenes Nikolausfest sieht er Karl, der hinter dem Mann im Bischofsgewand steht und heimlich das Cingulum um die Stuhllehne wickelt, während er selbst am Boden kniet und die Schnürsenkel des Heiligen fest verknotet. Wer damals den Sack aufgeschnitten hatte, daran erinnert er sich nicht mehr so genau. Die Rabauken änderten sich doch nie, stellte er um Atem ringend fest. Aber sie wurden immer jünger. Und die Nikoläuse haben es nicht leicht. Aber vielleicht haben sie es ja auch nicht anders verdient?

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