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Auch alle E-Book-Leser können  "Das Feentuch" herunterladen.:  

Selbstverständlich gibt es mit der "Blick-ins-Buch-Funktion" eine Leseprobe. Also auf ins magische Schottland!

Aufrecht gehn, den Himmel sehn

Neben meinen Büchern, die durchweg in der Unterhal-tungslektüre ihren Platz haben, ist ein biblisches Musical für Kinder ab sechs Jahre in Chor-und Theatergruppen erschienen. In diesem Buch befinden sich Lieder, Sprechtexte und Notenmaterial für eine 30-minütige Aufführung.  In sechs Szenenbildern und ebenso vielen Liedern begegnen die Kinder Sarah, deren Blick auf den Boden gewandt ist und die an dieser Last schwer trägt. Und sie erfahren, was geschieht als Jesus in Sarahs Leben tritt... Das Buch im lese- und musikerfreund-lichen Großformat ist bei Amazon erhältlich.

5. Dezember

Das persönliche Weihnachtswunder

 

     Marianne schlug vor Ärger mit der Faust auf den Tisch. Soeben war ihr die Rechnung der Autowerkstatt ins Haus geflattert. 1085,93 € und das so kurz vor dem Weihnachtsfest. Aber ohne Auto würde sie nicht zur Arbeit kommen. Sie zog den Taschenrechner zu sich über den Tisch. Der Apparat war für sie stetiger Gast. Es gab keinen Tag im Jahr, an dem sie nicht mit dem Wenigen rechnen musste, das ihr nach Abzug aller Kosten übrig blieb.

     Das bisschen Frührente reichte einfach vorne und hinten nicht. Sie konnte den Verlust der Putzstelle nicht riskieren. Mit dem Finger fuhr sie an den entmutigenden Zahlenkolonnen entlang, auf der Suche, wo sich vielleicht noch ein paar Cent einsparen ließen. Das Auto kam nicht in Frage, so weit war ihr das klar. Die Miete war in diesem Jahr zwar erhöht worden, aber im Vergleich zu anderen Gegenden dieser Stadt akzeptabel. Und hier kannte sie jede krumme Gehwegplatte und jeden neugierigen Nachbarn hinter der Gardine. Warum woanders nochmal neu beginnen? Sie war einundsechzig und lebte seit fast vierzig Jahren in dieser Wohnung. Damals hatten Arno und sie sich hier gemeinsam niedergelassen, doch der hatte sich vor einem Vierteljahrhundert aus dem Staub gemacht. Einfach davongeschlichen und Marianne mit Timmy allein gelassen. Das Ganze war an ihr hängengeblieben: Die Arbeit, die Schule, die Bandscheibenvorfälle, die kleinen und großen Katastrophen des Lebens, während er sich ein gemütliches Plätzchen auf dem städtischen Friedhof gesucht hatte. Dort ruhte er nach einem Unfall in Frieden, jedenfalls noch ein kleines Weilchen. Nach dreißig Jahren Ruhepause war auch damit Schluss und eine Verlängerung des Liegeplatzes war bei ihrem Budget absolut indiskutabel. So viel stand fest: Arno würde einem anderen feigen Ehemann weichen müssen, deren Frau das Grab bezahlen konnte. Pech für Arno! Pech für dich, Marianne!, dachte sie.

     Timmy ließ sich nur selten sehen. Er war zu Höherem berufen, hatte er festgestellt, nachdem sie sich sein Ingenieurstudium vom Mund abgespart hatte. In diesem Wohnsilo werde ich erdrückt. Ich bekomme keine Luft, Mutter. Ich MUSS fort.“ Nun baute er Brücken auf der ganzen Welt. An Weihnachten war mit ihm nicht zu rechnen und um Geld für die Reparatur würde sie ihn sicher nicht bitten. Wann immer er fragte, ob sie genug zum Leben habe – sie nickte nur zur Antwort.

     

     Sie war die Liste dreimal komplett entlanggefahren und noch immer war keine Lösung für das Problem in Sicht. Weihnachten würde traurig werden. Ihr Geld reichte nicht einmal für ein Stück Fleisch als Festtagsessen. Und zum Sozialamt oder in den Wohlfahrtsladen würde sie nicht gehen. Niemals! Das hatte sie sich schon vor Jahren geschworen. Blieb nur noch der Gang zum Pfandhaus, wie es schien. Marianne stöhnte laut auf. Was besaß sie schon, das sich zu Geld machen ließ? In dieser Sekunde fiel es ihr ein: Die alte, handgeschnitzte Krippe ihrer Kindheit. Aus Oberammergau und von einem wahren Künstler gearbeitet. Für ein kleines Geschenk, das sie Timmy schicken konnte und ein Stück Fleisch am 1. Feiertag würde es reichen. Somit konnte sie ihre Rente und das Gehalt für die Autoreparatur ausgeben.

 

     Ihre Eltern hatten viel Geld für die Krippenfiguren und den Stall gezahlt, daran erinnerte sich Marianne noch genau. Stand sie nicht irgendwo auf dem Dachboden? Sicher musste sie nicht viel mehr tun, als die Einzelteile zu entstauben und sie zur Pfandleihe tragen. Kurz vor dem Fest ließ sich so etwas gut verkaufen, hoffte sie. Gedacht – getan. Marianne kletterte die Stufen der alten Bodentreppe hoch und bahnte sich einen Weg zu dem Bereich, der ihr gehörte. Hier oben stand einfach alles kreuz und quer durcheinander. Von Ordnung hatten die meisten Nachbarn noch nichts gehört.

 

     Ihr Abteil befand sich direkt neben dem Aufzugsschacht und während Marianne in ihren Kisten wühlte, hört sie das scharrende Geräusch des gespannten Drahtseiles, das von besseren Zeiten kündete. Das Haus war so marode, wie sie selbst. Wo war nur die Krippe? Seit Timmy ausgezogen war, hatte sie sie nicht mehr aufgestellt. Da, in der letzten Kiste kam etwas zutage. In alte Zeitungsseiten gehüllt, konnte sie Josefs Wanderstab erkennen. Nach und nach barg sie den Rest der Heiligen Familie, nebst einigen Hirten und Schafen und den drei Weisen aus dem Morgenland. Behutsam legte sie alles in den mitgebrachten Korb und trug ihn die Treppe hinunter.

 

     In der Küche wickelte sie die Figuren aus und reinigte sie mit einem feuchten Tuch und brachte sie mit ein  Möbelpolitur auf Hochglanz. Sie stellte alles in Reih und Glied und kontrollierte noch einmal, ob sie wirklich vollständig angetreten waren. Das Kind in der Krippe blickte irgendwie traurig drein, fand sie. Das war ihr früher nie aufgefallen.

„Quatsch“, sagte sie zu sich selbst. Was du da wieder siehst!“ Sie schnappte sich den gepackten Korb und zog sich an, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Keine halbe Stunde später war sie am anderen Ende der Stadt und schob den Korb über die Theke auf den Pfandleiher zu. Der war recht angetan von dem, was sie ihm anzubieten hatte.

     „Die haben tatsächlich einige Jahre auf dem Buckel. So etwas sieht man nicht mehr oft.“

     „Sechzig Jahre, schätzungsweise“, erklärte Marianne stolz. „Und alles komplett und ohne Schäden. Der Mann wickelte die Einzelteile aus dem Papier und stellte sie in einer langen Reihe auf die Theke. Hirten, Schafe, Caspar, Balthasar und Melchior, den heiligen Josef und die Gottesmutter. Der Korb leerte sich und als letztes förderte er ein winziges Schäfchen zutage.

     „Was ist mit dem Jesuskind? Sie haben doch gesagt, das Ganze sei komplett.“ Er klang verärgert.

     „Das war es auch. Sehen Sie doch bitte die Papierverpackung durch, ob Sie die Futterkrippe übersehen haben“, bat Marianne irritiert. Der Mann folgte ihrer Bitte, doch alle Papierreste waren leer. Vom Jesuskind keine Spur.

     „So kann ich Ihnen die aber nicht abnehmen, tut mir leid.“

     „Ich habe das Kind sicher zu Hause vergessen. Kann ich nicht morgen kommen und es nachliefern?“

„Dann gibt es das Geld auch erst morgen. Den Rest können Sie meinethalben hier stehen lassen. Und mehr als 100,- € kann ich Ihnen dafür nicht geben.“

 

     Mit einem Mal traute sie dem Pfandleiher nicht mehr über den Weg. Die Krippe war mindestens das Fünffache wert. Sie würde sich hier nicht über den Tisch ziehen lassen.

     „Dann wickle ich alles wieder ein und komme morgen wieder.“ Oder auch nicht, dachte Marianne, der eben eingefallen war, dass ein Antiquitätenhändler womöglich mehr geben würde. Und jetzt, wo sie sich einmal entschieden hatte, sich von der Krippe zu trennen, wollte sie auch den größtmöglichen Gewinn erzielen. Erst recht, wenn sie den Weg doppelt gehen musste, um das fehlende Kind beizusteuern. Sie hatte schließlich nichts zu verschenken.

     „Das überlasse ich Ihnen!“, entgegnete der Mann säuerlich. Marianne verabschiedete sich höflich und machte sich auf den Heimweg.

Als sie die Tür aufschloss, ragte ein großer Umschlag aus ihrem Briefkasten. Irgendwas von Lotterie und Wohlfahrtsverbänden las sie aus dem Logo. Wieder nur diese blöde Werbung. An sie würden die kein Los veräußern können. Marianne trat aus dem Aufzug und betrat die Wohnung. Wo war bloß das Jesuskind? Auf dem Tisch lag es nicht. Ach da, unter dem Stuhl hatte es sich versteckt. Marianne wickelte es aus dem Papier und sah es sich genau an. Jetzt lächelte das Kind plötzlich als freue es sich, Marianne wiederzusehen. Wenn man allein lebte, ging schnell die Fantasie mit einem durch, glaubte sie und stellte die Figur behutsam auf den Tisch. Morgen würde sie einen weiteren Versuch starten.

     „Ohne euch gibt es nichts zu essen. Ich musste mich gegen euch entscheiden!“, erklärte Marianne der kleinen Krippenfigur. Nun sprach sie schon mit Säuglingen aus Holz.

 

     Ihr Blick fiel auf den Umschlag. Wenigstens öffnen konnte sie die Post, bevor sie im Altpapier verschwand. Mit dem kleinen Finger schlitzte sie nachlässig den Umschlag auf. Ein großes Blatt segelte über den Tisch, darauf stand in fettgedruckten Buchstaben: Gewinnzertifikat über 10.000,- €

     „Veralbern kann ich mich alleine!“, sagte Marianne zu sich, doch sie begann, den Text sorgsam durchzulesen und glaubte zehn Zeilen weiter nicht länger an einen Zufall. Jemand hatte für sie im vergangenen Jahr ein Los gekauft, dessen Nummer bei der Jahresendziehung gewonnen hatte. Sie schluckte schwer. Zehntausend Euro. Damit konnte sie den Wagen bequem reparieren lassen und etwas für Timmy kaufen.

Das schrille Klingeln ihres Telefons riss Marianne aus ihren Gedanken.

     „Hallo, Mutter. Ich wollt nur sagen, ich komme zum Weihnachtsfest nach Hause. Und ich bringe jemanden mit. Andrea. Meine Freundin. Du musst sie unbedingt kennenlernen. Aber vergiss nicht, die Krippe vom Dachboden zu holen. Ich möchte, dass Weihachten so ist, wie früher, als Papa noch lebte. Übrigens, ich hab dich lieb. Das wollte ich dir unbedingt sagen. Bis übermorgen.“

 

 

     Marianne war gar nicht so richtig zu Wort gekommen. Ein paar Ähs und Öhs später lag der Hörer schon wieder auf der Gabel und Tränen der Rührung liefen über ihr Gesicht. Timmy würde kommen und seine Freundin mitbringen. Da gab es noch viel zu tun. Und ihr blieben nur wenige Tage. Das Jesuskind auf ihrem Tisch lachte aus vollem Halse. Das konnte Marianne nicht nur sehen, sondern sogar hören. Jetzt glaubte sie nicht mehr, dass sie langsam wunderlich wurde. Jetzt glaubte sie an ihr persönliches Weihnachtswunder!

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