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Auch alle E-Book-Leser können  "Das Feentuch" herunterladen.:  

Selbstverständlich gibt es mit der "Blick-ins-Buch-Funktion" eine Leseprobe. Also auf ins magische Schottland!

Aufrecht gehn, den Himmel sehn

Neben meinen Büchern, die durchweg in der Unterhal-tungslektüre ihren Platz haben, ist ein biblisches Musical für Kinder ab sechs Jahre in Chor-und Theatergruppen erschienen. In diesem Buch befinden sich Lieder, Sprechtexte und Notenmaterial für eine 30-minütige Aufführung.  In sechs Szenenbildern und ebenso vielen Liedern begegnen die Kinder Sarah, deren Blick auf den Boden gewandt ist und die an dieser Last schwer trägt. Und sie erfahren, was geschieht als Jesus in Sarahs Leben tritt... Das Buch im lese- und musikerfreund-lichen Großformat ist bei Amazon erhältlich.

3. Dezember

Der Weihnachtsmann im Sondereinsatz

 

Die Weihnachtspost kam einmal wöchentlich in riesengroßen Säcken zur Forschungsstation. Immer an dieselbe Adresse: An den Weihnachtsmann, Am Nordpol 7

Längst hatte Herbert es aufgegeben, mit den zuständigen Behörden zu diskutieren, dass seine Tierauffang-und Forschungseinrichtung nicht das Domizil des Weihnachtsmanns war, auch wenn der Rest der Welt das zu glauben schien. Als er vor zehn Jahren seinen Kollegen Peter abgelöste, hatte dieser ihn vorgewarnt:

„Wundere dich nicht, wenn du ab September kiloweise Post bekommst. Die ist nicht für dich, sondern für den Weihnachtsmann. Manches Mal habe ich mir mit den Wunschzetteln die Langeweile vertrieben. Was die Kinder sich heutzutage so alles wünschen – du kannst es dir nicht vorstellen. Aber warte nur ab; in spätestens zwei Monaten geht es los.“

Und Peter hatte Recht behalten. Immer, wenn der Postbus zu Beginn des Polarwinters eintraf, sah Herbert das breite Grinsen des Postbusfahrers, das immer noch breiter wurde, wenn er ihm wieder zwei Säcke vor die Füße knallte und sagte:

„Na, Weihnachtsmann. Ich hoffe, du hast eine gute Poststelle, die dir beim Vorsortieren hilft.“ Die hatte Herbert selbstverständlich nicht. Von den sagenumwobenen Elfen des dicken Mannes mit dem roten Mantel war ihm noch keiner begegnet. Auch in diesem Jahr bestand seine einzige Gesellschaft aus einem Pärchen Polarfüchse, die sich seit geraumer Zeit in seiner Obhut befanden, weil die Mutter die Säugezeit der Kleinen nicht überlebt hatte. Herbert hatte sie Hanni und Nanni genannt. Er stellte sich gerne vor, dass sie sich in einem Landschulheim befanden. Ihr Unterricht würde daraus bestehen, sich von Herbert die Briefe an den Weihnachtsmann vorlesen zu lassen. Da konnten die zwei echt noch was lernen, fand Herbert.

Hier, in dieser so einsamen und geschützten Umgebung, war Herbert ganz froh, wenigstens die Gesellschaft der Füchse zu haben. Die richtige Welt da draußen hatte er schon vor längerer Zeit abgeschrieben. Immer, wenn er über Satellit die Weltereignisse verfolgte, wusste er, dass seine Entscheidung richtig war. Religions-und Bürgerkriege, Terroranschläge, Mord und Totschlag  waren die Vorkommnisse, die die Menschen in Atem hielten, so wie jüngst ein Anschlag auf eine große Stadt, der eine große Anzahl an Todesopfern gefordert hatte.  Aus diesem Spiel wollte Herbert aussteigen. Er wollte nicht länger Teil einer Gruppe von eiskalten Individuen sein, die sich gegenseitig an den Kragen gingen, denn das fing schon im Kleinen an und Gewalt war nur die Spitze des Eisbergs. Deshalb waren ihm echte Eisberge lieber und es kam ihm sehr entgegen, dass für die kleine Forschungseinheit ein Nachfolger gesucht wurde, der hier leben würde und keine andere Aufgabe hatte, als täglich Messgeräte abzulesen und Daten zu übermitteln. Dass er sich zusätzlich um verletzte Tiere kümmerte, lag in seinem eigenen Verantwortungsbereich. Seinen Vorgesetzten war das egal.

„So Leute, heute beginnen wir mit dem ersten Postsack!“, erklärte Herbert Hanni und Nanni, die sich in einem der kälteren Räume in ihrem Käfig befanden. Herbert war nicht so blauäugig, zu vergessen, dass es sich auch bei den niedlichen Polarfüchsen um Jäger mit Instinkt handelte. Er legte den Postsack ab, setzte sich an das Gitter und wickelte sich fest in eine Decke. Dann nahm er einen Schluck heißen Tee und öffnete den ersten Brief.

„Hey Weihnachtsmann, meine Eltern behaupten, es gibt dich. Kannst du mir mal sagen, warum du mir im letzten Jahr die Playstation nicht gebracht hast, obwohl sie auf meinem Wunschzettel ganz oben stand? Ich glaube, du bist ein Versager! Wenn du mich vom Gegenteil überzeugen willst, musst du dich in diesem Jahr an Weihnachten echt anstrengen.  Hier meine Adresse: Tim Jones, High-Street 6, US-Pennsylvania

Na, wenn Herbert der Weihnachtsmann wäre, würde dieser Tim auf seine Playstation warten, bis er schwarz wurde. Herbert schlitzte den nächsten Umschlag auf und rezitierte:

„Hi Weihnachtsmann, sag mal, stimmt es, dass du eine Erfindung von Coca-Cola bist und mit dem Truck durchs Land fährst? Ich will nur sichergehen, dass meine Wünsche an die richtige Adresse kommen. Kann ja sein, dass es dich gar nicht gibt und das Christkind für die Geschenke zuständig ist. Solltest du aber existieren, wünsche ich mir in diesem Jahr ein paar neue Inliner, eine Barbie mit einem pinkfarbenen Auto und den Rest, der auf der Liste steht, die ich dir mit in den Umschlag gelegt habe…“

Herbert schüttelte den Umschlag und ein eng beschrifteter Papierstreifen trudelte zu Boden. Den Namen hatte das Mädchen – dass der Absender ein Mädchen war, schloss Herbert durch den Wunsch nach einem pinkfarbenen Auto und der Barbie – vergessen zu erwähnen. In diesem Stil ging es auch in den meisten anderen Briefen weiter. Kaum ein Kind hatte dem Weihnachtsmann neben den Forderungen einige nette Worte hinzugefügt. Es ging nur darum, möglichst das zu bekommen, was sie sich wünschten und auf das sie scheinbar eine Art Anrecht zu haben glaubten. Im letzten Jahr waren Briefe in dieser Form noch die Ausnahme gewesen. Heute lag ein ganzer Stapel vor Herbert, noch bevor er die erste Tasse Tee geleert hatte. Sein Interesse an der Lektüre schwand mit jedem Umschlag.

„Einen öffne ich noch, aber dann ist Schluss für heute!“, erklärte er Hanni und Nanni, als wäre er den Füchsen Rechenschaft schuldig für sein Tun. Mit dem Zeigefinger schlitzte er einen gelben Umschlag auf, der ganz oben gelegen hatte. Er war mit goldenen Sternen beklebt und das ließ darauf schließen, dass der Absender sich mehr Müge gegeben hatte als all die anderen zuvor. Herbert zog den ebenfalls gelben Briefbogen aus der Hülle und begann, laut zu lesen:

„Lieber Weihnachtsmann,

ich weiß, dass du die Wünsche aller Kinder hörst und sicher auch zu erfüllen versuchst. Danke auch für das Buch, das du mir im letzten Jahr gebracht hast. Ich habe es unterm Baum gefunden. Ich hoffe, meine Plätzchen haben dir geschmeckt und du konntest dich an unserer Heizung ein wenig aufwärmen.

In diesem Jahr habe ich einen Wunsch, der nicht so leicht zu erfüllen ist, aber du kommst ja nicht nur in unser Haus, sondern in so viele Häuser auf der ganzen Welt. Und sicher weißt du auch überall gut Bescheid. Deshalb wollte ich dir einen Vorschlag machen: Wenn du die Geschenke auslieferst, könntest du in den  Wohnungen und Häusern alle Waffen einsammeln, die die Menschen dort versteckt haben. Du nimmst sie mit zum Nordpol und vergräbst sie unter einem besonders dicken Eisberg. Vielleicht können wir so dafür sorgen, dass die Menschen sich nicht mehr gegenseitig umbringen. Rudolph und die anderen Rentiere sind es ja gewohnt, auf dem Schlitten ein großes Gewicht zu ziehen, schließlich hast du meiner Freundin im letzten Jahr ein tolles Klavier gebracht und Jaques aus der Nachbarklasse ein neues Fahrrad. Tausche also bitte Geschenke gegen Waffen und mach das neue Jahr zu einem friedlicheren, als das alte.

Es grüßt dich ganz lieb
               Simone aus Paris

 

Herbert rollte eine Träne über die Wange als er den Brief vorgelesen hatte. Da wünschte sich ein Kind, dass die Waffen von der ganzen Welt verschwanden, damit überall Frieden sein konnte. Das war zwar naiv, aber Herbert teilte diesen Wunsch aus ganzem Herzen. Er bedauerte, nicht der Weihnachtsmann zu sein und Simone diesen Wunsch erfüllen zu können. Manchmal war es doch schade, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gab. Herbert wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, durch den letzten Brief versöhnt mit allen Forderungen, die er in den anderen vorgefunden hatte. Als er seinen Blick wieder geradeaus auf die Füchse richtete, stand zwischen den beiden ein dicker Mann in einem roten Mantel. Sein Haar und der Bart waren so weiß, wie das Fell der Tiere, die freudig an ihm hochsprangen und sich streicheln ließen, wie Schoßhunde.

               „Hallo Herbert! Schau nicht so irritiert. Ich bin es nur – der Weihnachtsmann. Du hast dir eben gewünscht, dass es mich gibt. Nun bin ich hier und du wirst mir behilflich sein, Simones Wunsch zu erfüllen. Die Elfen sind dafür nicht ausgebildet und darüber hinaus auch ziemlich neugierig. Ich befürchte, sie würden sich mit den Waffen nur verletzen. Aber du kennst dich da besser aus. Du weißt, wie gefährlich sie sind. Also, hast du was Besseres vor oder gehst du in der Weihnachtsnacht mit mir auf die Reise?“ Der Dicke schob noch ein brummendes „Ho, Ho, Ho!“, hinterher und hielt sich die Wampe. Beim nächsten Augenzwinkern stand er vor den Gittern und schlug Herbert mit einer Riesenpranke auf die Schulter, dass der Forscher in die Knie ging.

Herbert rieb sich die Augen, doch das Bild des fülligen Weihnachtsmannes verschwand nicht. Er stand dort wie ein Fels in der Brandung, brummte und kicherte, schlug noch einmal gönnerhaft zu und fragte dann:

„Du hast nicht zufällig ein paar Kekse und ein Glas Milch vorrätig? Würde mir ganz gut tun, während wir unsere Vorgehensweise für das Weihnachtsfest durchsprechen.“

„Tut mir leid, Weihnachtsmann. Die Milch ist leider sauer und die Kekse aufgegessen. Tee und Zwieback hätte ich zu bieten“, antwortete Herbert verblüfft. „Setz dich doch. Ich hole einen zweiten Stuhl und dann können wir reden.“

Kurze Zeit später saßen sie sich gegenüber und der Weihnachtsmann erläuterte die Route der Heiligen Nacht, sowie die Vorgehensweise. Herbert erfuhr, dass Santa tatsächlich durch die Kamine in die Häuser gelangte. Er konnte sich bei Bedarf sogar durch enge Gasabzüge quetschen. Auch die Geschenke materialisierten sich erst vor Ort in voller Größe. Deshalb passten Klaviere und Fahrräder auf den Schlitten, ohne dass die Rentiere in der Nacht zum Nachladen zurückfliegen mussten. Santa beschrieb Herbert die Stelle, an der sich sein Zuhause befand und der Forscher erkannte, dass er gar nicht viel weiter hätte gehen müssen als üblich, um direkt vor dem Haus des Dicken zu landen.

„Ich will aber nicht mit in die Häuser, Weihnachtsmann!“, bekannte Herbert als alles so weit besprochen war. „Falls die Bewohner uns erwischen, könnten sie auf mich schießen, wenn sie bewaffnet sind. Ich weiß ja nicht, wie das bei dir ist, aber ich bin schließlich nicht unsterblich, weißt du?“ Der Weihnachtsmann wackelte ein wenig mit dem Kopf und erwiderte dann:

„Das hatte ich nicht bedacht. Aber es würde mir reichen, wenn du die Waffen entgegennimmst und sie sicher auf dem Schlitten verstaust. Es wäre doch fatal, wenn uns eine davon aus dem Himmel herab zur Erde fiele. Wer weiß, in wessen Hände sie dann gelangte. Und du müsstest gemeinsam mit mir ein sicheres Versteck hier am Nordpol aussuchen. Einen Ort, den keine Macht der Welt je finden wird, auch nicht, wenn der Pol in der Zukunft immer kleiner wird. Du kennst ja die Voraussagen der Forscher besser als ich.“ Der Dicke zwinkerte Herbert zu.

„Ja, da fällt mir sicher was ein. Und mitfahren will ich auf jeden Fall.  Wer würde eine solche Einladung ausschlagen?“ Der Weihnachtsmann hob die behandschuhte Hand zum High Five und Herbert klatsche ihn geräuschlos ab. Der Deal war perfekt.

„Ich hole dich um Mitternacht ab!“, sagte der Weihnachtsmann und verschwand.

Je näher der Heilige Abend kam, desto aufgeregter wurde Herbert. Würde eine Nacht ausreichen, um alle Waffen einzusammeln und war auf dem Schlitten wirklich genug Platz für all das Zeug? Doch seine Befürchtungen waren umsonst. Über jedem Haus, in jedem Land, in dem die Menschen ein Gewehr, eine Pistole oder Ähnliches versteckt hatten, hielt der Schlitten. Der Weihnachtsmann sprang direkt in die Kamine und kehrte Sekunden später mit den Waffen zurück. Sobald er sie Herbert überreichte, schrumpften sie zu Miniaturen, die alle in den großen braunen Sack passten, der zu seinen Füßen stand. Selbst Panzer, Kriegsschiffe und Flugzeugbomber luden sie bei den Armeen weltweit auf und hinterließen stattdessen kleine weihnachtliche Aufmerksamkeiten für den ganzen Militärstab. Um vier Uhr morgens landeten die Rentiere mit den beiden erschöpften, aber glücklichen Männern wieder am Nordpol. Der Weihnachtsmann fragte Herbert:

„Und, wo sollen wir das Zeug jetzt lagern?“

„Das will ich nicht laut sagen!“, bekannte Herbert und neigte sich zum Ohr des anderen. Man hörte ihn flüstern, verstand aber kein Wort.

„Ho, Ho, Ho! Das ist gut, Herbert. So machen wir’s!“

Bis heute weiß niemand, wer die Waffen verschwinden ließ und wo das scheinbar sichere Versteck sich befindet, das Herbert ausgewählt hatte. Zum ersten Mal aber war am Weihnachtsmorgen wirklich Frieden auf der ganzen Erde. Und das lag nicht an der weihnachtlichen Stimmung der Menschen, sondern schlicht und einfach daran, dass niemand ohne Waffen in der Lage war, einen anderen zu bedrohen, anzugreifen oder gar zu töten. Es war kein Dauerzustand – das wäre wohl auch zu einfach gewesen, denn die Menschen änderten sich ja nicht von Knall auf Fall. Doch es dauerte, bis neue Waffen hergestellt waren und zum Einsatz kommen konnten. Und es gab Menschen, die das nicht bedauerten und beschlossen, dass sie auch in der Zukunft keine Waffen brauchten, um sich zu schützen oder anderen zu schaden.

Diese Erkenntnis verdankten sie, ohne es zu wissen, dem Weihnachtsmann, Herbert und nicht zuletzt Simone aus Paris, die in diesem Jahr ein Klavier bekommen hatte, das sie sich sehnlichst wünschte.

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