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Aufrecht gehn, den Himmel sehn

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13. Dezember  -   Namenstag der Heiligen Luzia

Weihnachten im Kohlenkeller

 

     In einer Zeit, in der das Ruhrgebiet noch als dunkel und unwirtlich verschrien war, wohnte ein kleines Mädchen in einem alten Haus mitten in einer Kleinstadt. Sein Vater war Arbeiter in der Kohlenzeche und verließ täglich das Haus, um für den Lebensunterhalt der kleinen Familie zu sorgen. Das Geld dafür erhielt er zur Monatsmitte und am Monatsende in einer Lohntüte aus Papier. Vorne eingetragen waren der Name des Arbeiters und auch der Betrag, den er als Lohn für die körperlich schwere Arbeit verdiente.

     Diese Lohntüte trug damals niemand zur Bank. Fast alle hatten eine Dose, in die das Haushaltsgeld kam und die in irgendeinem der Schränke versteckt gehalten wurde. Im Haushalt dieser Erzählung  handelte es sich um eine buntgeblümte Blechbüchse mit dem eingeprägten Namen EDUSCHO, die ein Vorleben als Kaffeedose geführt hatte. Alles, was die Menschen regelmäßig an Vermieter oder Schuldner zu zahlen hatten, wurde bar auf den Tisch gelegt. So war es auch hier. Die Frau des Hauses trug an jedem Ersten die Miete in ihrer Handtasche spazieren und händigte sie gegen Quittung an den Vermieter aus, der ein paar Straßen weiter wohnte. Das war ihr nicht immer geheuer. Zwar ließen die Leute ihre Haustüren zumeist offen stehen, doch mit dem Geld auf der Straße unterwegs zu sein, war zumindest unserer Hausfrau unangenehm und hinter jedem Gebüsch witterte sie ein Überfallkommando. Sie trug die Tasche deshalb fest unter den Arm geklemmt, machte niemals unnötige Umwege und überlegte mit jedem Schritt, wie sie sich gegen Angreifer zur Wehr setzen wollte. Überfallen wurde sie glücklicherweise nie.

     Manchmal landete ein Teil des Geldes beim Wirt aus der Kneipe auf dem Heimweg ihres Mannes. Es war einfach zu verlockend, nicht auf ein Bier hineinzugehen und kostete noch mehr Überwindung, es bei dem einen Bier zu belassen. Dann konnte man nur hoffen, dass die Kleine nicht ausgerechnet in dieser Monatshälfte neue Schuhe oder einen warmen Mantel brauchen würde. Bei den Männern, die der Versuchung nie widerstanden, hatte es sich eingebürgert, dass die Frauen ihre Männer mitsamt dem Lohn am Zechentor in Empfang nahmen.

Es war bereits Mitte Dezember und unwirtlich kalt als unser Familienvorstand sich nach seiner Schicht, mit der Lohntüte in der Brusttasche seiner Jacke, auf den Heimweg machte. Er hatte die Schultern hochgezogen, um den kalten Wind nicht zu spüren und als er in seine Straße einbog, sah er, dass die Kohlenlieferung vor seinem Kellerfenster aufgeschüttet lag. Seine Kleine erkletterte den Hügel und ließ sich auf dem bereits schwarz gefärbten Hosenboden darauf herunterrutschen. Die große Kohlenschaufel lehnte an der Hauswand und wartete auf ihn, ihren Benutzer. Die Schicht war also doch noch nicht rum.

     Er legte seine Tasche mit der Butterdose und der Kaffeeflasche neben den Hügel, drückte den kleinen Schmutzfink an sein Herz und begann dann, die Kohlen durch das Fenster in den Keller zu schaufeln. Schnell wurde ihm dabei warm, nicht nur, weil seine Tochter um ihn herumhüpfte und von den Ereignissen des Tages berichtete, und er öffnete seine Jacke. Seine Frau hörte den Krach, den die Schaufel auf dem Asphalt verursachte und sah aus dem Fenster. Sie winkte zur Begrüßung, aber als sie den schwarzen Hintern der Tochter sah, fielen ihre Mundwinkel hinab. Er sah es und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dann schaufelte er emsig weiter, denn sein Magen begann schon zu knurren und er wollte endlich Feierabend machen.

 

     Eine Stunde später schob die Tochter mit einem Besen den restlichen Kohlenstaub zusammen. Der Vater ging ins Haus und wusch sich die Hände. Das Essen wartete schon auf dem blankgescheuerten Küchentisch. Heute gab es Steckrübeneintopf. Kaum dass er sich hingesetzt hatte, streckte seine Frau mit vielsagendem Blick die Hand in seine Richtung. Sie wollte die Lohntüte in Empfang nehmen. Er wies mit vollem Mund auf seine Jacke, die er an die Tür gehängt hatte. Sie ging hin und durchwühlte seine Taschen, wandte sich dann mit fragendem Blick zu ihm um, sagte aber kein Wort. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Der Mann erhob sich und ging zu seiner Jacke. Auch er durchwühlte alle Taschen ergebnislos. Aufgeregt rannte er hinaus und sah, dass seine Arbeitstasche noch neben der Kleinen am Boden stand. Er nahm sie mit hinein und schüttete den Inhalt neben seinen halbvollen Teller mit dem Steckrübeneintopf. Butterdose und Kaffeeflasche landeten scheppernd auf dem Tisch, ein schmutziges Taschentuch und sein nasses graukariertes Pütthandtuch kamen hinterher. Von der Lohntüte keine Spur.

     Er versuchte, sich zu verteidigen, doch seine Frau vermutete wohl, dass er das Geld in der Kneipe gelassen hatte und wurde laut. Da nahm der Mann seine Jacke und ging den ganzen Weg bis zum Zechentor zurück. Seine Tochter war hinter ihm hergelaufen und während er seinen Blick suchend über den Boden schweifen ließ, schmiegte sich ihre kleine schmutzige Hand tröstend in seine große.

Die Tüte tauchte nicht wieder auf, egal wie oft er den Weg an diesem Nachmittag noch ablief, bis die winterliche Dämmerung seiner Suche ein Ende machte.  Da würde Weihnachten wohl für einen Finder ein herrliches Fest und für die kleine Familie eine traurige Angelegenheit werden. Was noch in der EDUSCHO-Dose steckte, würde jedenfalls kaum für etwas zu Essen bis zum nächsten Ersten reichen. So viel stand fest. Gut, dass sie wenigstens die Kohlenlieferung als Deputat bekommen hatten.

 

     Ein paar Tage gingen ins Land und die Geschichte von der verschwundenen Lohntüte zog im Ort ihre Kreise. Der Ärger der Frau war so groß gewesen, dass sie ihn mit der Nachbarin geteilt hatte und nun wussten alle, dass die Familie von Glück sagen konnte, wenn sie am 31. noch satt wurde. Jeder konnte sich vorstellen, was so ein Verlust bedeutete. Sie alle hatten nicht viel und kamen gerade so eben über die Runden. Deshalb war es umso netter, dass die Frau in den beiden Wochen vor dem Fest einige kleine Gaben vor der Haustür fand. Zuerst war es ein Laib Brot, dann etwas Zucker und Mehl und ein paar Eier. Damit buk sie ein paar Weihnachtsplätzchen für die Kleine. Und so ging es tagtäglich weiter. Sogar eine Filtertüte mit einigen Löffeln echtem Bohnenkaffee war dabei. Das war wirklicher Luxus. Zwei Tage vor dem Heiligen Abend fand sie eine Scheibe Speck und etwas eingemachtes Obst und Gemüse neben einer kleinen Tüte Kartoffeln. Nie lag ein Gruß dabei. Die Menschen hier waren eher wortkarg, aber trotzdem nicht blind und taub gegenüber den Nöten anderer. Die Frau holte die Gaben herein und breitete sie auf dem Tisch aus. Dann nahm sie ihr Rezeptbuch und versuchte, eine Mahlzeit aus den geschenkten Zutaten zusammenzustellen, die das Festessen am Weihnachtstag ersetzen konnte. Sie vergoss dabei ein paar leise Tränen über das Mitgefühl der anderen, denen sie nicht einmal danke sagen konnte.

 

     Und als sie am Heiligen Abend auch noch ein Päckchen vor der Tür fand, das in buntes Papier gewickelt war, auf dem der Name des Kindes stand, da waren ihre Tränen nicht mehr aufzuhalten. Schluchzend saß sie am Tisch und der Mann hielt ihre Hand, auch er hatte Tränen in den Augen. Es würde ein Weihnachtsfest geben. So viel stand fest.

Der Heilige Abend war angebrochen und die Eltern gingen mit dem Kind in die Mitternachtsmesse. Die wenigen Geschenke gab es damals in vielen Familien erst am Weihnachtsmorgen. Die kleine Familie feierte die Heilige Nacht mit großer Dankbarkeit im Herzen für alle, die sie in den letzten zwei Wochen nicht im Stich gelassen hatten und dafür keine Gegenleistung erwarteten. Das war schon damals nicht selbstverständlich. Das wussten die Erwachsenen und das kleine Mädchen hatte es ebenfalls gespürt.

 

     Am nächsten Morgen erwachte der Vater früh und beschloss, dass sie es schön warm haben sollten. Das letzte Geld hatte er für ein paar Kerzen ausgegeben, mit denen seine Frau die Tannenzweige festlich geschmückt hatte. Er nahm die Kohlentröte und ging in den Keller. Dort griff er nach der Schaufel, füllte sie ein ums andere Mal und gab die Kohlebrocken in die Tröte. Plötzlich fiel sein Blick auf einen Schnipsel Papier. Er bückte sich und die Kohlebrocken rutschten nach, während er an dem Schnipsel zog. Da stand doch sein Name drauf. Er erkannte, dass es sich um einen Fetzen seiner Lohntüte handelte, ließ sich auf die Knie sinken, ungeachtet der Tatsache, dass er seine Sonntagskleider trug, und grub hektisch mit den Fingern in dem Kohleberg. Und tatsächlich: Seine Grabungen brachten die volle Lohntüte zutage, die er wohl beim Einscheppen der Kohlen aus seiner Brusttasche verloren hatte. Schmutzig wie er war, lief er hinauf in die Wohnung und brachte kein Wort heraus, als er seiner Frau die dreckige Tüte entgegenhielt, die all das enthielt, auf das sie in den letzten zwei Wochen hatten verzichten müssen. Sie nahmen sich in die Arme und er schwang die Frau übermütig durch die Küche als auch schon die Kleine im Nachtpolter vor ihnen stand.

 

     Jetzt würde es die Bescherung geben. Soviel stand fest. Er heizte den Ofen ein und die Frau entzündete die Kerzen, stellte die Weihnachtsplätzchen auf den Tisch, während die Kleine in der Küche ungeduldig auf das Christkind wartete. Das bunte Päckchen lag schon unter den Zweigen.

 

     Sie betraten gemeinsam das Zimmer, nachdem sich die Eltern vom gröbsten Schmutz befreit hatten, und sangen von der fröhlichen Weihnacht, die sie bis in den hintersten Winkel ihres Herzens spürten. Als die Kleine das Päckchen mit leuchtenden Augen öffnete, kam eine gestrickte Puppe mit langen schwarzen Haaren zum Vorschein. Es war egal, dass die Wolle vielfach geribbelt und vorher wohl Teil eines oder mehrere Kleidungsstücke gewesen war. Jetzt war sie eine Puppe. Und diese Puppe würde für lange Zeit das liebste Spielzeug des Mädchens sein.

 

Die Erwachsenen unterhielten sich flüsternd, was denn nun mit dem zwangsweise Ersparten geschehen sollte und beschlossen, dass sie damit in der Silvesternacht ein Fest geben würden für die Menschen aus der Nachbarschaft. Wie aber sollten sie den Nachbarn deutlich machen, dass die Lohntüte wieder aufgetaucht war und wie sehr man sich über die uneigennützige Hilfe gefreut hatte? Da kam dem Mann eine Idee: Er ging direkt nach dem Fest zur Verwaltung und erbat sich eine Handvoll leerer Lohntüten. Darauf schrieb er den jeweiligen Namen des Gastes, das Wort Dankeschön in großen Lettern und den Zeitpunkt der Einladung. Der Grund würde den Menschen von alleine klar sein. So viel stand fest!

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