2016 erschien mein Fantasy-Roman "Das Feentuch" Wer wissen will, was im fernen Schottland geschieht, findet das Buch beim Klick auf das Bild bei Amazon für 12,99 €

Auch alle E-Book-Leser können  "Das Feentuch" herunterladen.:  

Selbstverständlich gibt es mit der "Blick-ins-Buch-Funktion" eine Leseprobe. Also auf ins magische Schottland!

Aufrecht gehn, den Himmel sehn

Neben meinen Büchern, die durchweg in der Unterhal-tungslektüre ihren Platz haben, ist ein biblisches Musical für Kinder ab sechs Jahre in Chor-und Theatergruppen erschienen. In diesem Buch befinden sich Lieder, Sprechtexte und Notenmaterial für eine 30-minütige Aufführung.  In sechs Szenenbildern und ebenso vielen Liedern begegnen die Kinder Sarah, deren Blick auf den Boden gewandt ist und die an dieser Last schwer trägt. Und sie erfahren, was geschieht als Jesus in Sarahs Leben tritt... Das Buch im lese- und musikerfreund-lichen Großformat ist bei Amazon erhältlich.

 

 

Leseprobe aus „Hinter Fenstern“

 

 

Copyright © 2014 Anja Ollmert

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

ISBN13:

 

978-1494998981

 

 

 

ISBN-10:

 

149499898X

 

 

 

Steuerschulden  

 

Cornelias Haar stand zu Berge. Darin türmte sich gelbglänzender Schaum. Sie blickte in den Spiegel und musterte ihr Gesicht. Undenkbar, dass diese Maßnahme nötig war. Nachdenklich drehte sie die Plastikflasche in der Hand und las gedankenverloren den Farbton ab. 

 

„Platinblond. Gleich bin ich furchtbar hässlich und meine eigene Mutter wird mich nicht wiedererkennen.“ Cornelia verabscheute Blondinen, erst recht die Platinblonden. Doch die grundlegende Veränderung war der Beweggrund für diese Aktion. Niemand sollte sie wieder-erkennen. Nicht einmal ihre eigene Mutter.

 

„Es könnte klappen, Conny“, ermunterte ihre Freundin Helga sie, die direkt hinter ihr stand und das fremd erscheinende Gesicht im Spiegel betrachtete.

 

„Wenn die Polizei ihre Arbeit täte, wäre das alles nicht nötig gewesen!“ Cornelia war aufgebracht und frustriet. Sie steckte in einer neuen Wohnung, mit einer neuen Stelle, einem nagelneuen Wagen und Kleidung, die ihr weder gefiel, noch zu ihr passte. Sie steckte in einem Leben, das ihr fremd war. Ihre neue Haarfarbe war das schreckliche Tüpfelchen auf dem i. Die Ursache aller Veränderungen war ein Stalker. Ein Typ, dem sie vor Wochen im Finanzamt die Umsatzsteuer erklärt hatte. Das war der Anfang der Misere.

 

„Herr Trabinski, Sie sind nicht der einzige Mensch, der die Regelung der Umsatzsteuer in Frage stellt oder sie missversteht. Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Sie sich der Zahlung nicht entziehen können, ohne sich strafbar zu machen. Sie erhalten diese Beträge als Erstattung über die Vorsteuer zurück, während Ihr Geschäftspartner keine Umsatzsteuer entrichtet hat. Sie sind daher nicht berechtigt, weitere Beträge einzubehalten oder über Karussellgeschäfte die Vorsteuer zurückzuerhalten, ohne die Umsatzsteuer abgeführt zu haben.“

 

„Ich habe gar kein Fahrgeschäft, ich leite einen Ein-Euro-Shop, gnädige Frau!“

 

Cornelia unterdrückte mühsam ein Stöhnen. Sie versuchte, ruhig und gelassen zu bleiben. Der Kerl war schwer von Begriff.

 

„Ich rede nicht davon, dass Sie Besitzer eines Karussells sind, Herr Trabinski. Ich rede davon, dass Sie den deutschen Staat um Ihren Steueranteil betrügen, wenn Sie Vorsteuern kassieren, ohne zuvor die Umsatzsteuer der verkauften Ware abgeführt zu haben. Diese Art von Steuerbetrug nennt man Karussellgeschäft.“

 

„Ach so, es ist nett, dass Sie mir das erklären, Frau, äh, Cornelia.“ Wo hatte er ihren Vornamen aufgeschnappt?

 

„Das wäre die Aufgabe Ihres Steuerberaters gewesen!“, erklärte Cornelia mit Bestimmtheit. Trabinski wechselte sprunghaft das Thema: 

 

„Was halten Sie von einem Kaffee nach Feierabend. Sie könnten mir währenddessen die Details noch einmal erklären.“ Jetzt schlug es Dreizehn! War der Mann ihr von Anfang an unsympathisch gewesen, sah sich Cornelia nun bestätigt. Das fehlte ihr noch, dass sie sich mit einem Steuerbetrüger einließ, zumal wenn er so dumm war, wie dieser Trabinski. 

 

„Ich brauche noch Stunden, bis ich Feierabend habe, Herr Trabinski. Zudem wird es in der Chefetage nicht gerne gesehen, wenn wir private Kontakte zu Steuerzahlern aus dem eigenen Buchstabenbereich pflegen. Tut mir leid. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiedersehen.“

 

Mit diesen Worten schob sie den Schreibtischstuhl zurück und stand auf. Das war’s, hatte Cornelia gedacht…

 

Bald wurde sie eines Besseren belehrt. Es hatte mit täglichen Rosenlieferungen ins Büro begonnen und mit nervtötenden Telefonaten im Zwei-Stunden-Takt. Trabinski stellte wiederholt Fragen zu seiner Steuererklärung und deklarierte die Rosen als Dankeschön für Cornelias Auskünfte. Was konnte sie dagegen unternehmen, ohne unhöflich zu erscheinen?

 

Nach vierzehn Tagen wollte keine der Kolleginnen mehr Rosen mit heim nehmen, weil die Männer dahinter einen Verehrer vermuteten. Cornelia wollte die Blumen nicht. Sie steckte sie mit den Köpfen voran in den Müll. Am kommenden Morgen standen sie aufrecht in der Vase auf ihrem Schreibtisch, neue kamen hinzu. Ihr Büro roch wie ein Friedhof, süßlich und leicht verfault. Als ihm die Fragen ausgingen, begann er, ihr vor der Tür des Finanzamtes aufzulauern und ihr ein Gespräch aufzudrängen. 

 

Die Finanzbeamtin traute sich bald nicht mehr vor die Tür. Trabinski wartete neben ihrem Auto. Als Übergangslösung holte Helga sie mit dem Wagen ab. Cornelia hetzte über den Parkplatz, ohne nach links oder rechts zu schauen. Der Wagenschlag stand offen und sie sprang hinein. Die Freundin trat auf das Gaspedal. Trabinski winkte dem Fahrzeug leutselig hinterher. Wie er an ihre private Telefonnummer gekommen war, blieb unerklärlich. Fortan klingelte es nach Feierabend. Ihr Anrufbeantworter beendete das Grauen nicht. Der Speicher enthielt bald mehr angsteinflößende Kommentare als ein billiger Thriller. Ihn nicht einzuschalten, war keine Option. Damit ließe Cornelia zu, dass Trabinski für ihre völlige Isolation sorgte. Sie informierte die Polizei. Die Beamten erklärten ihr, dass sie machtlos seien, wenn der Mann nicht handgreiflich wurde.

 

Drei Tage später fand Cornelia in ihrem Mittagssandwich aus der Kantine des Finanzamtes eine Rasierklinge. Es war Zufall, dass sie nicht hineinbiss. Ein metallisches Blinken hatte das verhindert. Seitdem nahm sie ein Butterbrot von zu Hause mit. Sie klappte es auf und sah unter der Käsescheibe nach, ob es einwandfrei war. Die Angst hielt Cornelia fest im Griff. Da konnte auch Helga nicht mehr trösten. Es wurde Zeit für eine Veränderung.

 

Das Gespräch mit dem Amtsleiter, der sie für überspannt zu halten schien, eröffnete ihr die Möglichkeit, innerhalb der Stadt in ein anderes Amt zu wechseln. Das war ihr einzige Chance. Cornelia nahm Abschied von alten Kollegen, Gewohnheiten, Nachbarn und ihrer Wohnung, tauschte ihr Auto beim Händler gegen ein neues, kurzum: Sie strickte die Geschichte ihres Lebens neu. Dazu gehörte die neue Haarfarbe. Aus der rassigen Brünetten wurde eine platinblonde Schönheit. Nur ihre Freundin tauschte sie nicht aus. Das war zu viel verlangt. Helga verpasste ihr einen flotten Kurzhaarschnitt. Beide Frauen standen vor Cornelias neuem Spiegel im neuen Bad und betrachteten die Veränderung. Die eine mit Skepsis, die andere mit Begeisterung.

 

„Toll siehst du aus. Es ist erstaunlich, wie die Frisur einen Menschen in Nullkommanichts verändern kann.“

 

„Wenn es nur die Frisur wäre. Mein ganzes Leben habe ich Trabinski geopfert. Meinen Namen konnte ich behalten, bin aber nicht sicher, ob das gut ist.“ Caroline lief eine Träne über die Wange. Wenn sie den Stalker dadurch losgeworden war, wollte sie das in Kauf nehmen.

 

„Ach, vielleicht ist dieser Neuanfang die Chance deines Lebens. Es gibt Frauen, die gern mit dir tauschen möchten.“ Ein Hauch von Sehnsucht und Abenteuerlust sprach aus Helgas Stimme, die Cornelia nicht teilen konnte.

 

Am nächsten Morgen der neue Schreibtisch. Das Gesicht einer fremden Kollegin auf der anderen Seite. Sie kannte weder den Weg zur Toilette, noch zur Kaffeemaschine. Alles musste sie sich erfragen. Nach kurzer Zeit schwirrte Cornelia der Kopf.

 

Den Kundenverkehr hatte man ihr am ersten Arbeitstag erspart. Sie durfte die laufenden Fälle sichten. Angespannt blätterte sie in einem Aktenstapel und machte sich mit den Namen der Kunden vertraut. Sie nahm einen blauen Akten-deckel, blätterte darin und zuckte zusammen. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Übelkeit stieg in Cornelia auf. Sie drängte den Kloß im Hals zurück, um sich nicht auf der Stelle zu übergeben. 

 

In der ersten Zeile des Deckblattes stand in fetten Lettern: Steuersache Trabinski. Ein gelbes Post-it klebte darauf: Verdacht auf Karussellgeschäft.