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Selbstverständlich gibt es mit der "Blick-ins-Buch-Funktion" eine Leseprobe. Also auf ins magische Schottland!

Aufrecht gehn, den Himmel sehn

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Das Feentuch - eine Leseprobe

 

© Anja Ollmert 2016

 

Sean ist Gärtner auf Dunvegan Castle. Im Herrenhaus gibt es ein berühmtes Tuch, ein Geschenk von einer Fee, das den Clan seit Jahrhunderten schützt.

Als der Laird eines Morgens bewusstlos aufgefunden wird, scheint das Tuch gestohlen zu sein. Muss der Clan der McLeod den Verlust des Tuches beklagen und ohne seinen Schutz fortbestehen?

Wer hat ein Interesse an dem mythischen Familienerbstück?


Kapitel 1

 

Die Berge der Isle of Skye waren mit Schnee bestäubt, und wie aus kleinen, durchscheinenden Puderzuckerwolken blitzten dazwischen Granitgestein und die frühen Triebe grüner Ginster-pflanzen um die Wette.  In tieferen Lagen und auf dem Festland hatte längst der Frühling Einzug gehalten und die Menschen begannen ihr Leben an der frischen Luft wieder aufzunehmen. In der Nähe der See und zugleich hoch über dem Meeresspiegel aber war der Wind empfindlich kalt und umwehte die Hügelkuppen mit seinem mächtigen Atem. Wer hier seine Zelte dauerhaft aufgeschlagen hatte, der steckte den Kopf am Morgen aus der Tür und zog ihn sogleich schlotternd vor Kälte wieder ein, wie eine schreckhafte Schildkröte. Vielleicht war die raue Witterung ein Grund dafür, dass manche Schotten, obwohl von stattlicher Erscheinung, den Kopf Zeit ihres Lebens zwischen den hochgezogenen Schultern trugen. Ihrer Körperhaltung zum Trotz machten sie einen außerordentlich stolzen Eindruck auf jeden, den das Leben hierher verschlug.

     

     Sean war einer von ihnen. Ein echter Inselmann, zwischen starren Felsformationen und dem Saum des Meeres aufgewachsen. Er trug seinen Kopf aufrecht und es gab nicht viel, das  seinem Blick entging. Mit dem ersten Licht des heutigen Morgens war er aus dem Verwalterhaus getreten und hatte sich seinen Aufgaben als Gärtner von Dunvegan Castle zugewandt.

Täglich warteten unzählige Blumenbeete darauf, in Ordnung gebracht zu werden.

Zu seinen Füßen trottete langsam und gemächlich die blonde Labradorhündin Jelly über den Parkweg. Sean hatte Jelly ihren Namen verpasst, weil sie manchmal vor lauter Aufregung wie aus Gelee gemacht schien, das in alle Richtungen hin und her wackelte, ohne einen einzigen Augenblick ruhig zu verharren. Heute wurde Jelly ihrem Namen nicht gerecht. Fast schien es, als sei sie zu müde, den nächsten Schritt zu tun. Sean wunderte das nicht.

     „Was hast du auch in der Nacht unablässig gebellt? Ich müsste eigentlich ebenso träge sein, wie du!“, schimpfte er liebevoll mit der Hündin, die mit großen Augen zu ihm heraufschaute. „Bei dem Lärm, den du veranstaltet hast, habe ich kein Auge zugemacht. Lass uns zuerst die Wiese vor dem Schlossteich mähen. Ich rechne nicht damit, dass jemand kommt und uns die Arbeit abnimmt!“ 

 

     Die Hündin war es gewohnt, dass ihr Besitzer unablässig zu ihr sprach. Die beiden teilten sich nicht nur das Haus, sondern gelegentlich auch die Couch. Mit Ausnahme von Jelly gab es nur selten jemanden, mit dem Sean ins Gespräch kam. Er war in Gegenwart seiner Mitmenschen eher von der stillen Sorte.  Doch Sean sah gut aus, mit breiten Schultern, muskulösen Oberarmen und einer ausgeprägten Bauchmuskulatur, die ihren Ursprung nicht dem Fitnessstudio, sondern der Arbeit in der freien Natur verdankte. Sein dunkelblondes, leicht gewelltes Haar war voll und kräftig mit einem leichten Stich ins Rötliche und ein grünes Augenpaar leuchtete in seinem männlichen Gesicht wie kleine, an eine Batterie angeschlossene Ioden. Wenn er lächelte, zogen sich seine Mundwinkel immer ein wenig spöttisch nach oben, ohne herablassend zu wirken. Trotzdem war er im Wesen eher zurückhaltend und unterhielt sich lieber mit seinem Hund, an dem er mit ganzer Liebe hing. Ihm war Jellys Begleitung wichtig und er genoss es, wenn die Hündin sich Nähe suchend an seinen Schenkel drückte, während er mit der Hand über ihr Fell strich.

Jelly schien etwas zu wittern, denn sie blieb stehen und wackelte mit der Nasenspitze, die sie hoch in die Luft gereckt hielt.

     „Wuff“, machte sie leise und ihre Nackenhaare stellten sich aufmerksam hoch.

     „Was ist denn nun schon wieder?“, schimpfte Sean. „Du bist heute aber wirklich ungenießbar. Komm schon und lass uns den Mäher holen“, sprach er, während er an Tempo zulegte und sich dem Schuppen näherte. Leise in den Angeln quietschend, öffnete sich die Stalltür. Dahinter kam ein großer Aufsitzmäher zum Vorschein und, ganz ihrer Gewohnheit folgend, wackelte Jelly darauf zu, um auf die freie Stelle vor dem Gaspedal zu springen.

„Nun rück schon zur Seite. Mach dich nicht so breit“, schob Sean die Hündin sanft vom Gaspedal. „Ohne mich fährt das Ding keinen Meter.“ Jelly gab den Widerstand auf und Seans Füße fanden ihre Position auf den Pedalen. Er ließ den Motor an und legte den Rückwärtsgang ein. Der Mäher fuhr aus dem Stallgebäude und über die Wege bis zum Vorplatz des Schlosses. Sean senkte den Mähbalken auf den Rasenstreifen hinunter und begann mit seiner Arbeit.

     Jelly fuhr zunächst, ohne eine Regung zu zeigen, ihrem Herrn zu Füßen hin und her über die Wiese. Plötzlich richtete sie sich auf und jaulte. Dann sprang sie bei voller Fahrt hinunter und umkreiste den Rasenmäher mit wütendem Gebell. Sean hatte Mühe, rechtzeitig zu bremsen, bevor der Mähbalken über sie hinweg mähen konnte.

     „Sag mal, du bist ja wohl völlig verrückt!“, schimpfte der Gärtner. Was fällt dir eigentlich ein, dich so zu benehmen?“

 

     Während der Mann noch mit der Hündin schimpfte, fuhr ein schwarzer Vauxhall über den hellen Kiesweg. Beim flotten Fahrstil der Insassin spritzten die kleinen Steine in alle Richtungen. Sean zeigte keine große Begeisterung wegen des Ankömmlings. Er wusste, dass er den Kies später wieder würde zusammenfegen müssen.

 

     Der Wagen bremste und hinterließ eine tiefe Reifenspur im Kiesbett. Kaum hatte sich die Wagentür geöffnet, sprang auch schon Phoebe heraus und winkte Sean fröhlich zu. Phoebe war die junge Putzfrau, die der Laird vor kurzem angestellt hatte. Sie war hauptsächlich dafür zuständig, die öffentlichen Räume und Gänge des Schlosses zu reinigen, bevor die Besucher kamen, half aber auch dem Laird im Haushalt.

     „Hi, Sean“, rief sie lachend herüber und verschwand, nach hinten weiterhin winkend, im Hauptportal des Schlosses. Ihr blondes Haar wehte wie ein Fähnchen hinter ihr her. Im gleichen Takt wedelte Jellys Schwanz, die den Grund ihres anhaltenden Bellens anscheinend vergessen hatte. Als wäre nichts gewesen, stieg sie zurück auf den Rasenmäher und warf Sean einen fragenden Blick zu.

     „Was, und jetzt soll ich weitermachen? Dann bleib gefälligst hier oben, und riskier nicht, dass die Bremsen versagen.“ Er beendete die Bahn, sodass sein Gesicht nun dem Schloss zugewandt war, bei dem sich erneut die Eingangstür öffnete, um eine augenscheinlich sehr aufgeregte Phoebe auszuspucken, die mit einem Staubwedel in den hoch erhobenen Händen laut schreiend auf ihn zu gerannt kam.

     „Sean“, kreischte sie leicht hysterisch, „Sean, bleib stehen! Der Laird, das Tuch, die Fee…“, stotterte sie beim Näherkommen. „Steig ab, nein, mach den Motor aus. Ach was, komm einfach mit!“ Phoebe zog und zerrte an ihm herum und ließ ihm kaum eine Wahl, als ihr zu folgen, auch wenn er nicht verstand, warum sie so aufgeregt war.

 

     Obwohl er Phoebe folgte, stand ihm die Verwirrung deutlich ins Gesicht geschrieben. So hob er abwehrend die Hände und sagte:

     „Halt doch mal die Luft an, Phoebe. Ich versteh ja kein Wort. Was ist mit dem Laird und von welcher Fee redest du. Hat dir jemand dein Staubtuch geklaut, oder was?“ Phoebe hatte anscheinend nicht vor, sich in näheren und vor allem verständlicheren Ausführungen zu ergehen und ergriff wieder Seans Hand. Daran zog sie ihn unnachgiebig Richtung Eingang. Die Hündin folgte den beiden und schien das Spiel ganz lustig zu finden. Als ihre seltsam anmutende Polonaise das Portal erreichte, keuchte Phoebe wie nach einem Marathonlauf.

     „Nun komm schon, der Laird!“, japste sie wieder. Und nun folgte auch endlich ein vollständiger Satz aus ihrem Mund: „Er ist bewusstlos und das Feentuch“, sie atmete noch einmal tief ein.          „Es ist verschwunden. Der Rahmen ist nicht mehr da!“

     „Wie, verschwunden?“ Wohin soll es denn verschwunden sein? Ist das nicht alarmgesichert?“, tausend Fragen fielen Seans ein, auf die auch Phoebe keine Antwort zu haben schien, denn sie zuckte nur ratlos mit den Schultern.

     „Keine Ahnung, aber lass uns erst einmal dem Laird helfen. Alles andere können wir später klären“, und sie zog ihn schwer atmend weiter. Selbstverständlich nahmen sie die Haupttreppe, die sonst nur den Besuchern vorbehalten war. Es war der direkte Weg um in den Raum unter dem Dachboden zu kommen, wo sich das Feentuch befand, das für die Familie McLeod eine wichtige Bedeutung hatte.

     Es handelte sich um ein feingewebtes weißes Stofftuch, von dem heute nur mehr Bruchteile des einstigen Gewebes vorhanden waren. Diese Fragmente hatte der aktuelle Laird vor einigen Jahren in einen Rahmen fassen lassen und es dort aufgehängt, wo es einst gefunden worden war. In einem Raum, der zu einer kleinen Dachkammer führte, in der einst die Kinder des Hauses McLeod aufwuchsen. Dort, in der Wiege, in den Armen eines längst begrabenen Lairds, hatte man das Tuch einst gefunden. Es war eng verbunden mit der Familie und wurde hoch in Ehren gehalten.

     „Was für ein Unglück“, stöhnte Phoebe. „Wenn das Tuch verschwunden ist, dann sinkt auch der Stern des Hauses McLeod.“

     „So ein Blödsinn“, schimpfte Sean. Du glaubst doch nicht wirklich an das alte Märchen?“ Gemeinsam erreichten sie den obersten Treppenabsatz, den Hund noch immer direkt auf den Fersen. Und nun begann Jelly wieder zu knurren und sich suchend nach allen Seiten umzusehen, als könne sie den Angreifer zwar spüren, aber nicht orten. Sean hielt sie am Halsband, doch Jelly wand sich in seinem Griff und stürzte in das Zimmer, das zum Turm führte. Dort lag der Laird auf dem Boden und bewegte sich nicht. An der Wand über ihm zeigte ein großer heller Tapetenfleck, dass dort zuvor noch ein viereckiges Bild gehangen haben musste. Jelly leckte mit ihrer rauen Zunge hingebungsvoll das Gesicht des Lairds und hatte wieder einmal die Aufregung vergessen, die der Grund ihrer Aggressivität gewesen war. Der Mann am Boden begann sich daraufhin zu regen und schlug anscheinend orientierungslos die Augen auf.

     „Was ist“, stammelte er. Sich den Kopf haltend, versuchte er sich aufzurichten, während Phoebe ihn sogleich an den Schultern haltend daran hindern wollte.

     „Sie dürfen sich nicht bewegen, Sir. Wir wissen nicht, ob Sie verletzt sind und ich werde erst einmal den Arzt rufen.“ Der Laird wandte seinen Kopf zur Wand und sein Blick fiel auf die leere Stelle. Er stöhnte auf, als seine Erinnerung mit Macht zurückkehrte.

     „Das Tuch! Sie hat es sich geholt. Ich konnte es nicht verhindern. Sie war einfach zu schnell für mich!“, und mit einem resignierenden Laut sank er wieder zurück und schloss erschöpft die Augen. Da erwachte in Phoebe der aktive Geist, der charakteristisch für sie war.

     „Ich werde Wasser und eine Decke holen und du rufst den Doktor. Das Telefon ist in seinem Privatbüro auf der unteren Etage. Gleich die rechte Tür, wenn du durch das Treppenhaus kommst. Und ruf nicht den Notdienst, sondern schlag die Nummer seines Arztes nach. Die steht in dem braunen Register, das auf dem Schreibtisch liegt.“ Alle Anweisungen hatte sie heruntergerasselt, während sie selbst bereits auf dem Weg in einen anderen Raum war. Als sie mit einer Decke zurückkehrte, war auch Sean bereits unterwegs. Phoebe widersprach man besser nicht, lehrte ihn die Erfahrung.

     Er rannte hinunter in das Büro. Die Tür war nur angelehnt, doch das fiel ihm in der Hektik nicht auf. Was sich ihm dahinter bot, war kaum zu glauben. Das ganze Zimmer war durchwühlt. Alle Schränke und Schubladen waren geöffnet oder herausgerissen und ihr Inhalt im Raum verstreut. Papiere und Kontoauszüge, Versicherungspolicen und Verträge mit der örtlichen Denkmalspflege, all das sah Sean auf den ersten prüfenden Blick dort liegen, dazwischen alte Familienfotos von gemeinsamen Reisen oder Feierlichkeiten. Das zweiflügelige Fenster war auf der linken Seite eingeschlagen und beide Flügel waren weit geöffnet. Sicher hatte Sean das offene Fenster heute Morgen auch von unten gesehen, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Das Telefon stand zwar auf der Arbeitsplatte des Schreibtisches, aber der Hörer lag mit durchtrennter Schnur daneben. Der Gärtner sah sich unsicher um, nahm das braune Register, das auf dem Boden lag und ging die Treppe mit großen Schritten wieder hinauf, immer eine Stufe überschlagend.

     „Phoebe, hast du ein Handy? Der Apparat unten ist tot. Jemand hat das Hörerkabel durchtrennt.“ Phoebe wandte sich zu ihm um, denn sie kniete am Boden und versuchte dem Laird  aus einem Wasserglas eine seltsame grüne Flüssigkeit einzuflößen.

     „Hattest du nicht von Wasser gesprochen?“, fragte er erstaunt und vergaß ganz den Grund für seine Eile.

     „Das ist „die grüne Fee“, ein Absinth, der sich als Medizin gut verwenden lässt“, erklärte sie. Ich will den Laird nicht vergiften.

Ich dachte nur, das hilft schneller als Wasser. Und das Telefon findest du in meiner Handtasche im Besenraum, hinter der Tür  am Ende des Ganges.“  Noch während sie das sagte, kam der Laird erneut zu sich und schluckte das Getränk hinunter, das seinen Mund füllte. Kaum war der Alkohol durch seine Kehle geflossen, bekam er einen Hustenanfall, der gar nicht enden wollte.

     Sean wartete Phoebes seltsamen Wiederbelebungsversuch gar nicht erst ab und lief schnurstracks in den Besenraum. Kaum hatte er die Klinke in der Hand und wollte die Tür öffnen, entwich dem Raum eine Nebelwolke, die ihm auszuweichen schien. Trotzdem berührte sie den Mann fast mit einem kalten, feuchten Hauch, vor dem er erschrocken zurückwich. Der Kontakt glich dem Nebel, der sich im Herbst auf den Hügeln des schottischen Hochlands niederließ und es so vor den Blicken der Menschen verbarg. Sean wischte sich über die Augen um dieses Hirngespinst, für das er die Erscheinung hielt, zu verscheuchen und schüttelte den Kopf über sich selbst.

     Er griff nach Phoebes Tasche und sah dahinter zugleich den Bilderrahmen an der Wand lehnen, der das Feentuch barg, das offensichtlich doch nicht gestohlen war. Auf dem Weg zurück wählte er die Nummer aus dem braunen Telefonregister, das er noch immer in der Hand hielt.

     „Cullen“, antwortete er, nachdem sich jemand am anderen Ende der Leitung gemeldet hatte. „Der Laird von Dunvegan Castle ist zusammengebrochen und wir brauchen Sie hier. Nein, wir wissen nicht genau, was ihm fehlt“, beantwortete er die Frage seines Gesprächspartners. Das Feentuch ist es jedenfalls nicht, dachte er im Hinblick auf seinen erstaunlichen Fund im Besenraum.

     „Ja, es wäre gut, wenn sie sofort kommen. Nein, ein Krankenwagen dürfte nicht nötig sein.“  Während Sean redete, hatte er den Raum erreicht, in dem der Laird noch immer am Boden lag, nun im Rücken gestützt von der Reinigungskraft, die erleichtert zu Sean hinauf lächelte.

     „Das Tuch ist doch im Besenraum“, sagte Sean, als er das Gespräch beendet hatte. „hast du es zum Abstauben von der Wand genommen und es vergessen?“, erkundigte er sich.

     „Nein, ich fasse es nie an. Das erledigt der Laird immer selbst“, und der Mann, der sich an ihr Knie lehnte, nickte zustimmend.

    „Dann müssen wir die Polizei informieren. In Ihrem Büro ist alles durchwühlt, Sir!“, setzte ihn Sean von dem Durcheinander in Kenntnis, das er vorgefunden hatte.

     „Eine Fee hat es von der Wand genommen“, hörte er die noch immer sehr unsicher klingende Stimme seines Chefs.

     „Und dann hat sie es in den Besenraum geschafft?“, fragte der Gärtner ungläubig. Das unheimliche Gefühl beim Öffnen der Tür hatte er bereits vergessen. Insgeheim fragte er sich, ob der Laird nicht schon am Vorabend zu viel von dem Absinth genossen haben könnte und nun halluzinierte. Den Einbruch jedenfalls hatte er augenscheinlich verschlafen oder aufgrund einer unerklärlichen Bewusstlosigkeit verpasst.

     „Ich gehe zum Tor und öffne die Absperrung, damit der Doktor passieren kann und dann rufe ich die Polizei.“, wandte der

 Gärtner sich um und verließ den Raum.

     „Die Kette habe ich offen gelassen“, gestand Phoebe ein wenig verschämt. „Sie war schon geöffnet und ich war zu faul wieder auszusteigen. Heute ist doch Montag. Da verirrt sich ohnehin kein Tourist zu uns. Schließlich stehen an der Straße die Öffnungszeiten.“

     „Zumindest die Eingangstür müssen wir öffnen“, sagte Sean in vorwurfsvollem Ton und pfiff nach Jelly, die ihm aufs Wort folgte.

     

     Der Doktor kam ihnen schon auf der äußeren Freitreppe entgegen, die schwere, braune Arzttasche in der Hand.

     „Was ist passiert?“

     „Das können wir immer noch nicht genau sagen. Es scheint, als habe man eingebrochen. Der Laird kann sich an nichts erinnern und ich weiß nicht, ob er jemanden überrascht hat oder ob seine Ohnmacht Zufall ist!“ Mit diesen Worten begleitete Sean den Arzt die Treppe hinauf. Als der Arzt den Raum betrat und einen Blick auf das Glas mit der grünen Flüssigkeit erhaschte, sah er Phoebe und Sean fragend an.

     „Was haben Sie ihm da gegeben?“, wandte er sich an die junge Frau.

     „Nur einen kleinen Schluck von dem Drink, der vom Vorabend auf seinem Tisch stand.“, sagte Phoebe kleinlaut. Der Doktor hielt ihr die Hand hin und nahm das Glas entgegen. Er roch skeptisch daran und sagte dann: „Das ist Absinth. La fée verte“, sagte er vorwurfsvoll.

     „Kein Wunder, dass er eine Fee gesehen hat“, rutschte es Sean heraus, ehe er richtig überlegt hatte, was er seinem Chef damit unterstellte. Wie zu erwarten, warf der wieder erstarkte Laird der McLeods ihm einen bösen Blick zu.

     „Ich habe nicht getrunken“, verteidigte er sich. Ich hatte mir einen kleinen Schluck eingegossen, als ich ein Geräusch hörte, dem ich gefolgt bin! Als ich hereinkam, stand eine Frau vor der Wand, die sich an dem Bild zu schaffen machte und durch die hindurch ich trotzdem die Wand erkennen konnte.“ Kopfschüttelnd nahm der Doktor die Einwände des Patienten zur Kenntnis.

      „Jetzt werden wir Sie erst einmal ins Bett schaffen, Mr. McLeod. Der kalte Fußboden ist kaum der richtige Aufenthaltsort für Sie.“ Und mit diesen Worten forderte er den Gärtner auf, den Laird zu stützen. So brachten sie ihn gemeinsam in sein Schlafzimmer, das auf der unteren Etage hinter einer massiven, abschließbaren Tür lag und die Privaträume des Laird von denen trennten, die der Öffentlichkeit zugänglich waren. Sie brachten McLeod zu Bett. Jelly, die ihnen gefolgt war, legte sich vor dem Fußende ab und blickte hechelnd zu den beiden Männern auf, doch niemand reagierte auf sie.

     Damit der Arzt seine Behandlung in Ruhe beginnen konnte, verließ Sean den Raum. Den Hund ließ er am Bett seines Chefs zurück. Er würde ihn später holen. Zunächst musste er mit der Polizei Kontakt aufnehmen und den Einbruch melden.

 

 

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